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Kühlen Kopf bewahren

Hitze am Arbeitsplatz

 

Das Jahr 2023 war das heißeste Jahr in Deutschland seit es Wetteraufzeichnungen gibt – nach dem bisherigen Spitzenreiter 2022. Aufgrund der ungewöhnlich hohen Temperaturen im April 2024 vermuten Meteorlogen, dass der Hitzerekord wohl auch dieses Jahr wieder gebrochen wird. Solche Nachrichten sind wir mittlerweile gewöhnt. Aber was hat das mit Arbeitsschutz zu tun? Antwort: eine ganze Menge!

 

„Der Klimawandel hat schon heute massive Auswirkungen auf die Gesundheit und die Sicherheit von Menschen an ihren Arbeitsplätzen.“ So formuliert es das im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellte Gutachten „Klimawandel und Gesundheit – Auswirkungen auf die Arbeitswelt“.

 

Was sind die Konsequenzen von Hitzebelastung bei der Arbeit? Zum einen sinkt die körperliche Leistungsfähigkeit bei hohen Temperaturen rapide ab. Zum anderen stellt Hitze aber auch eine psy­chische Belastung dar. Folgen können neben Ermüdung und Konzentrationsschwächen auch eine Häufung von Arbeitsunfällen sein. Die Körpertemperatur des Menschen liegt idealerweise bei ca. 37 Grad Celsius. Bei großer Hitze und körperlicher Arbeit – eventuell sogar noch in Verbindung mit Per­sönlicher Schutzausrüstung (PSA) – steigt die Körperkerntemperatur schnell an, und bereits ab 40 Grad kann dabei eine lebensbedrohliche Situation (z.B. ein Hitzschlag) drohen. Aber auch schon bei geringerer Körpertemperatur belastet die körpereigene Temperaturregulation vor allem das Herz-Kreislauf-System. Auch Nerven, Muskeln und Nieren können beispielsweise bei großem Flüssigkeits­verlust stark beeinträchtigt sein. Vor allem ältere Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen so­wie Schwangere sind besonders gefährdet.

 

Was muss der Arbeitgeber tun? Als Verantwortlicher für den Arbeits- und Gesundheitsschutz muss er, „die Arbeit so gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychi­sche Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird.“

(§ 4 ArbSchG) Um dies zu erreichen, muss der Arbeitgeber systematisch Gefährdungen und Belastungen bei der Arbeit ermitteln, beurteilen, Maßnahmen ableiten und umsetzen, evaluieren, do­kumentieren und das Ganze aktualisieren (§§ 5, 6 ArbSchG). Im Rahmen dieser Gefährdungsermitt­lung und -beurteilung ist selbstverständlich die Gefährdung „Wärmebelastung“ zu betrachten und ent­sprechende Schutzmaßnahmen sind zu ergreifen.

 

Welche Vorschriften geben Auskunft? Die Arbeitsstättenverordnung verlangt in Anhang 3.5, dass „Arbeitsräume (…) eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur haben“. Die Technische Regel für Arbeitsstätten „Raumtemperatur“ (ASR A3.5) fordert: „Der Arbeitgeber hat bereits beim Einrichten der Arbeitsstätte darauf zu achten, dass die baulichen Voraussetzungen an den sommerlichen Wärme­schutz (…) gegeben sind.“

 

Gibt es Richtwerte? Maßgeblich ist auch hier die ASR 3.5 „Raumtemperatur“. Für die meisten Ar­beitsplätze reicht die Lufttemperatur zur Beurteilung aus, ob eine gesundheitlich zuträgliche Raum­temperatur

vorhanden ist. Also: egal ob Büro oder Werkshalle – die Lufttemperatur soll 26 Grad Celsius nicht überschreiten. Ist es wärmer als 26 Grad soll, bei Werten höher als 30 Grad muss der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen ergreifen. Beträgt

 

 

 

die Lufttemperatur mehr als 35 Grad ist der Raum ohne Maßnahmen wie beispielsweise Luftduschen oder Entwärmungsphasen nicht als Arbeitsraum geeignet.

 

Welche Schutzmaßnahmen kommen in Betracht? Das Arbeitsschutzgesetz regelt, dass bei Ar­beitsschutzmaßnahmen die Gefahr an der Quelle zu bekämpfen ist, und dass individuelle Schutzmaß­nahmen nachrangig zu anderen Schutzmaßnahmen sind (§ 4 ArbSchG). Die Betriebssicherheits­verordnung formuliert eine eindeutige Hierarchie bezüglich Schutzmaßnahmen – nämlich das TOP-Prinzip: „Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung, dass Gefährdungen durch technische Schutz­maßnahmen nach dem Stand der Technik nicht oder nur unzureichend vermieden werden können, hat der Arbeitgeber geeignete organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen zu treffen. Technische Schutzmaßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen, diese haben wiederum Vorrang vor personenbezogenen Schutzmaßnahmen (§ 4 Abs. 2 BetrSichV).“ Beispiele für technische Maß­nahmen wären demzufolge Klimaanlagen oder Jalousien. Organisatorische Maßnahmen könnten Ar­beitszeitverlagerungen oder zusätzliche Pausen zur Entwärmung sein. Eine personenbezogene Maß­nahme wäre z.B. die Lockerung der Kleidungsordnung. Darüber hinaus soll der Arbeitgeber bei Lufttemperaturen von mehr als 26 Grad geeignete Getränke bereitgestellt werden; bei mehr als 30 Grad muss er das tun.

 

Gibt es Ausnahmen? Ja, an sogenannten Hitzearbeitsplätzen wie z. B. am Hochofen im Stahlwerk gelten besondere Anforderungen.

 

Und bei Arbeiten im Freien? Auch wenn es für Tätigkeiten im Freien keine Vorgaben zur Temperatur gibt, muss der Arbeitgeber mit Hilfe der Gefährdungsbeurteilung systematisch die Arbeitsbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen und Belastungen ermitteln und mit dem TOP-Prinzip Schutzmaßnahmen ergreifen. Bei Arbeiten im Außenbereich kommt als weiterer Gefährdungsfaktor zur Hitze noch die UV-Strahlung hinzu. Beispiele für technische Maßnahmen: feste Unterstellmöglich­keiten, Einhausungen, Überdachungen, Wetterschutzzelte etc. Organisatorische Maßnahmen: Ar­beitszeiten in die kühleren und strahlungsärmeren Morgenstunden vorverlegen, Pausen in Innen­räumen oder im Schatten verbringen usw. Persönliche Schutzmaßnahmen: Kopfbedeckung und kör­perbedeckende, luftdurchlässige Kleidung tragen, Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, regel­mäßig und ausreichend geeignete Getränke u.a.m.

 

Was kann der Betriebsrat tun? Sehr viel! Bei Fragen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz bestimmt der Betriebsrat (BR) meist mit. Falls das Thema „Hitze am Arbeitsplatz“ bisher noch nicht in der Ge­fährdungsbeurteilung und der Unterweisung berücksichtigt werden sollte, kann der BR hier von sei­nem Initiativrecht Gebrauch machen. Auch bei der Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen hat der BR selbstverständlich ein Mitbestimmungsrecht. Natürlich ist das ein Thema für den Arbeitsschutzaus­schuss (ASA). Hier bringen verschiedenen Experten ihre Sichtweisen und Argumente ein, beraten und sprechen Empfehlungen aus, die letztendlich idealerweise in eine Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung münden, die das komplette Vorgehen regeln.

 

© Michael James, 11.05.2024